Die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die hellgelbe Zeltplane und tauchen mein gemütliches Campingbett in ein goldenes Licht. Die Luft ist bereits warm, sie duftet nach frischem Gras und süßen Blumen. Das leise Murmeln der noch schläfrigen Festivalbesucher füllt die morgendliche Stille. Ich öffne voller Vorfreude den Reißverschluss meines Zelts und blinzle kurz gegen das helle Licht, dann lächle ich: Vor mir erstreckt sich das Festivalgelände des Woodstock der Blasmusik!
Vom 27. bis 30. Juni 2024 erlebte ich ein Wochenende voller Musik, guter Laune und schöner Momente in Oberösterreich (im wunderschönen Innviertel, dem nordwestliche Viertel Oberösterreichs). Zu Hause höre ich zwar keine Blasmusik, aber auf dem Festival entwickelte die Musik zu meiner Überraschung eine ganz eigene Magie, die jeden Besucher mitwippen, mitsummen und mitsingen ließ.
Von Aufweckbläsern und dubiosen Festival-Begleitern
Am ersten Morgen war ich schon früh auf den Beinen und begegnete auf meiner Erkundungstour über das Festivalgelände den „ORF Aufweckbläsern“: eine Gruppe fröhlicher Musikanten, die mit ihren Blasinstrumenten über den Campingplatz zogen und die Schlafenden aus ihren Träumen holten. Die Temperaturen waren in diesen frühen Morgenstunden schon weit über die 20 Grad Marke geklettert und viele Festivalbesucher frühstückten statt heißen Backwaren ein kaltes Eis. Auf meinem Weg zum Kaffee-Stand grüßten mich die Leute mit einem herzlichen „Servus!“, fast alle trugen Lederhosen oder Dirndl. Auf dem gesamten Campingplatz wurde musiziert, gelacht und gesungen, denn jeder hatte sein Musikinstrument dabei. Die Zeltplätze waren – wie es sich für ein gutes Festival gehört – äußerst kreativ dekoriert: SpongeBob-Luftballons hingen an einem Pavillon, ein Wildschweinkopf zierte ein anderes, ein ausgestopftes Wiesel hat es sich auf der Schulter eines Besuchers bequem gemacht und in der Ferne schwebte ein Schlauchboot über den Köpfen. Es gab so viel zu entdecken, dass ich aus dem Staunen kaum herauskam.
Mit meinem Kaffee in der Hand ging ich schließlich weiter in Richtung Main Stage, vorbei am „Instrumenten Doktor“, der gratis Checks für alle Holz- und Blechblasinstrumente anbot. Bei einem kleinen Abstecher zum Supermarkt fand ich alles, was das Festival-Herz begehrt: Sonnencreme, Zahnpasta, Brötchen, Nutella und natürlich jede Menge gekühlte Getränke. Insgesamt wurden an dem Wochenende 10 Tonnen Lebensmittel verzehrt – kein Wunder bei knapp 100.000 Besuchern! Spannendes Projekt: Es gibt einen eigenen Festival-Gemüsegarten, der das ganze Jahr über bepflanzt wird und beim Woodstock der Blasmusik Festival kommen dann die Ernten auf den Tisch – farm to table also (neu seit diesem Jahr).
Erfrischend anders, das Woodstock der Blasmusik!
An der Main Stage angekommen, waren die Vorbereitungen für das Highlight des Festivals bereits im vollen Gange: Beim „Gesamtspiel“ trafen sich alle Festivalbesucher vor der Hauptbühne, um gemeinsam zu musizieren. Die Liednoten konnte man am Eingang kostenlos mitnehmen und manche hatten sich die Noten sogar auf ihr T-Shirt drucken lassen, damit der Hintermann die Stücke immer direkt vor Augen hatte. Auf dem großen Platz vor der Main Stage waren Banner verteilt, die die verschiedenen Instrumentengruppen markierten: „Querflöte“, „Trompeten“, „Klarinetten“, „Pauken“. Diszipliniert ordneten sich die 20.000 Menschen, die am Gesamtspiel teilnehmen wollten, mit ihren Instrumenten den jeweiligen Schildern zu.
Kurz bevor das Gesamtspiel begann, rückte die Feuerwehr mit zwei Löschfahrzeugen an und besprühte die Menschenmasse, die bei weit über 30 Grad in der Sonne stand, mit sanftem Sprühregen. Auch Wasserflaschen konnte man an diesem heißen Tag auf dem gesamten Gelände kostenlos erhalten.
Und dann ging es los: Fünf Dirigenten standen auf Podesten, gaben gleichzeitig den Einsatz und sorgten mit synchronen Handbewegungen dafür, dass jeder im Takt blieb. Von der Main Stage aus blickte ich auf die 20.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die alle gemeinsam muszierten, friedlich vereint durch die Musik.
Als nach 30 Minuten, die im Flug vergingen, zum Abschluss „Don’t Stop Believin‘“ erklang, bekam ich trotz der brennenden Hitze eine Gänsehaut – was für ein unbeschreiblich schöner Moment!
Liv über das Woodstock der Blasmusik
Nach dem Gesamtspiel strömten alle Besucher zum Fluss, um sich dort ein wenig abzukühlen. Viele brachten ihre Instrumente mit und spielten im Wasser weitere Lieder. Der Fluss war so voll, dass man das Wasser kaum noch sehen konnte, trotzdem strömten immer mehr Leute ins kühle Nass. Jemand stimmte „Mamma Mia!“ auf der Trompete an, und die anderen fielen sofort mit ein. Wer sein Instrument am Zeltplatz gelassen hatte, sang dafür kräftig mit, tanzte ausgelassen oder klatschte fröhlich im Takt.
Am Nachmittag fanden auf dem Festival die Österreichischen „Stihl Timbersports“ Meisterschaften statt. Bei dem Extremsport-Wettkampf im Sportholzfällen traten Männer in verschiedenen Kategorien gegeneinander an und mussten zum Beispiel einen Holzstamm mit einer Axt möglichst schnell zerschlagen. Es war unglaublich beeindruckend, mit wie viel Kraft, Schnelligkeit und Präzision sie die Baumstämme bearbeiteten! Das begeisterte Anfeuern der Menge hallte über das ganze Gelände und der herbe Geruch von frisch geschnittenem Holz unterstrich perfekt den rustikalen Charme des Festivals.
Ein Festival der Blasmusik? Mein Fazit
Den krönenden Abschluss des Tages bildete der Auftritt von „The BossHoss“. Die Mischung aus Countrymusik und Rock sorgte gemeinsam mit der eindrucksvollen Bühnenshow für tosenden Applaus. Neben „TheBossHoss“ waren für das Festival rund 150 weitere Bands aus 11 verschiedenen Ländern angereist, die auf den 8 verschiedenen Stages für gute Stimmung sorgten.
Am meisten faszinierte mich an diesem Wochenende die durchgehend positive Stimmung, das Gefühl von Freundschaft, Offenheit und Akzeptanz. Neben mir schlief ein altes Ehepaar mit ihren Enkeln, gegenüber eine Männergruppe auf Junggesellenabschied. Mittags rückten sie die Campingstühle von beiden Seiten zusammen, spielten gemeinsam auf ihren Instrumenten und kochten Ravioli auf dem kleinen Campingkocher. Ein Mann aus Japan erzählte mir, dass er seit zwölf Jahren jedes Jahr zum Woodstock der Blasmusik komme, um gemeinsam mit den Österreichern, Schweizern, Deutschen und vielen weiteren Nationen die Musik zu feiern.
Am Ende war ich selbst überrascht, wie sehr mir das Wochenende gefallen hatte und ich kann jedem von euch empfehlen, das Festival in Oberösterreich selbst zu erleben. Denn egal, ob ihr Blasmusik mögt oder nicht – das Woodstock der Blasmusik werdet ihr lieben!
Ich bedanke mich beim Tourismusverband S’INNVIERTEL und den Veranstaltern für diese Erfahrung!