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Ich und…ich: Gedanken zum alleine Reisen

“Ich werde nicht mit dir wegfahren können,” tippe ich in dieses herzlos blaue Chatfenster und drücke auf “senden”. Schnell schicke ich noch diesen Smiley hinterher, der betreten nach unten schaut, als könnte ich all meine Schuldgefühle in diese paar Pixel Gelb auf meinem Bildschirm gießen. Ich habe just diesen Moment einen Korb verteilt und das nicht an irgendwen, sondern einem mir sehr nahestehenden Menschen. Einer Freundin, die meine Hand gehalten hat, wenn ich mal nicht weiterwusste, einer, die weiß wie ich mit ungewaschenem Haar und verweinten Augen aussehe, einer, die weiß, dass ich keinen Zucker im Tee mag. Jetzt lasse ich sie quasi alleine in ihren Jahresurlaub fahren, denn einen Partner gibt es nicht, alle anderen müssen auch arbeiten und naja, für Familienreisen fühlen sich manche einfach zu alt. Aber ist es überhaupt schlimm alleine zu verreisen?

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Von Mitleid und guten Ratschlägen

Eines der Probleme mit dem alleine Reisen sind die Blicke und Reaktionen von außen. Irgendwie scheint die gesellschaftliche Akzeptanz dafür auf einem ähnlichen Level zu rangieren, wie wenn man mit Anfang 20 die Wochenenden am liebsten Zuhause verbringt. “Ich fahre alleine in den Urlaub,” muss für einige Menschen gleichbedeutend sein mit “niemand mag mich und ich muss einsam und verlassen durchs Leben gehen”. Wer Glück hat, wird zu so etwas wie der mutigen, freiheitsliebenden Abenteurerin. Bei Männern funktioniert das beim Blick in die Runde jedenfalls so. Mütter wiederum schauen ängstlich und würden gerne zu einem “Aber Kind, da kann ja so viel passieren,” ausholen, wenn sie es nicht schon besser wüssten. Ein “Ganz ALLEIN? Warum?,” gibt es dann aber trotzdem oft zu hören. Das kommt oft gepaart mit gut gemeinten Sätzen wie “Aber wird bestimmt trotzdem ganz toll!”. Trotzdem? Vielleicht ja auch gerade deshalb?

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Die Sache mit der Angst

Als ich jünger war, da war ich manchmal mutiger. Ich bin gerne allein aufgebrochen, schließlich sogar gleich für ein paar Monate nach London. Die Challenge gefiel mir und so hat der Reiz des Neuen am Ende die Angst besiegt. Ja, Angst, denn die hatte ich. Ein Tag vor Abflug lag ich mit klopfendem Herzen im Bett, hatte Furcht vor meiner eigenen Courage und spielte kurz mit dem Gedanken, alles abzusagen. Zum Glück habe ich es nicht getan und mich zu stark angezogen gefühlt vom Abenteuer und dieser sehr unabhängigen Version meiner selbst, die ich sein konnte, wenn ich bloß wollte. Was geholfen hat? Die Angst beim Schopf zu packen und sie in ihre Einzelteile zu zerlegen. Herauszufinden, was da überhaupt so eine fiese Fratze zieht.

Angst wovor also? Ich habe dazu auch mal das Uber-Team befragt und von Lisa eine ehrliche Antwort bekommen: “Natürlich hat man immer wieder Bedenken – werde ich mich einsam fühlen? Ist es gefährlich, allein unterwegs zu sein? Und tatsächlich wünscht man sich unterwegs manchmal einen Travelbuddy, mit dem man Erlebnisse teilen und Entscheidungen (wohin geht es als nächstes, ist dieses Hostel wirklich eine gute Idee, ist das nicht viel zu viel Geld für die kurze Riksha-Fahrt?) gemeinsam treffen kann”. Ist es also Angst vor Einsamkeit, davor alleine nicht klar zu kommen und gerade als Frau die Sorge, Schutzlosigkeit zu empfinden?

Ich glaube, dass vermeintliche Einsamkeit tatsächlich zu einem freundlichen Begleiter werden kann, wenn man sich traut das Positive im Alleinsein zu suchen, in die Auseinandersetzung mit sich selbst zu gehen und dem negativen Gefühl schließlich eine andere Bedeutung zuweist. Lisa hat das treffend zusammengefasst: “Was haushoch überwiegt ist die Intensität der Reise, das wachsende Selbstbewusstsein, das Gefühl, schwierige Situationen alleine gemeistert zu haben”. Und außerdem: allein ist man so gesehen selten, denn tatsächlich lernt man niemals so schnell andere Leute kennen wie dann, wenn man ganz ohne die eigene, gewohnte Entourage unterwegs ist. Natürlich braucht es etwas Mut und Vertrauen, aber die Dinge sind machbar und am Ende wird man dafür belohnt, sich auch mal aus der eigenen Comfort Zone herausgestoßen zu haben. Wer sich gerade als Frau unsicher fühlt, kann sich ja langsam ans alleine Reisen vortasten und bei der Wahl der Ziele etwas suchen, wo das persönliche Wohlfühlbarometer – oder auch Bauchgefühl – automatisch positiv ausschlägt. Sprich: vielleicht erstmal eine Destination wählen, die nicht gleich am anderen Ende der Welt liegt und zum Start lieber ein langes Wochenende zum Austesten nehmen statt der monatelangen Backpacker-Tour?

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5 Dinge, die fürs alleine Reisen sprechen!

Für alle, die immer noch zweifeln, sind das hoffentlich überzeugende Gründe, um der Sache doch eine Chance zu geben. Und damit auch sich selbst.

1 Schluss mit dem Feilschen!

Zu viele Sehenswürdigkeiten, zu wenige Stunden? Zu viele Shops mit magischer Anziehungskraft, zu wenig Motivation? Jetzt ist Schluss mit halbgaren Kompromissen im Paradies, denn wer alleine reist, muss gar nichts tun, kann aber alles. Du entscheidest.

2 Sei mal Du!

Wer sonst immer mit anderen im Schlepptau unterwegs ist, muss weniger. Neue Leute lernt man plötzlich ganz anders kennen, denn sie stehen nur Dir gegenüber und nicht dem Du als Teil eines eingespielten Gefüges. Wer ist das eigentlich da im Spiegel? Find’s heraus oder erfinde Dich neu.

3 Heute geht es um…Dich!

Plötzlich meldet sich da wieder leise eine Stimme, deine eigene nämlich. Wer alleine reist, entwickelt plötzlich wieder ein Gefühl für den eigenen Rhythmus und die eigenen Bedürfnisse und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Du willst liegen bleiben? Du willst noch in den fünften Shop und das sechste Glas Wein trinken? Bitteschön, Du tust hier alles nur für Dich.

4 Sich ausprobieren

Stell’ Dir kleine Challenges. Geh’ mal ohne Handy zum Abendessen. Sei die, die immer alleine isst und dabei lächelt, während die Paare am Nebentischen sich nichts mehr zu sagen haben. Buch’ den Spa-Tag, geh’ zum Bogenschießen, bitte einen Fremden einen Schnappschuss von Dir machen, bestell’ dekadent den Room-Service und spring’ auf dem Bett. Mach’ eine kleine Wanderung. Lass’ mal los, indem Du kleine Dinge wagst und Dir erlaubst Freiräume selbst auszufüllen.

5 Niemand hat was von allein bleiben gesagt!

Ehe Du dich versiehst, hast Du schon wieder neue Leute kennengelernt. Es gibt sie ja nicht umsonst in Filmen und Büchern, die Urlaubsfreundschaften und -Romanzen.

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Mia, die wirklich ständig unterwegs ist, genießt das alleine Reisen in Dosen übrigens, weil man dann Zeit hat “sich wirklich mal nur mit sich selbst und dem eigenen Wohl zu beschäftigen. Was brauche ich eigentlich, um glücklich zu sein? Worauf kommt es in meinem (!) Tag wirklich an, wann möchte ich aufstehen und wann habe ich den Drang mit jemanden zu sprechen oder zu schreiben? Auch spannend: wem schreibe ich dann, wenn ich einsam bin? Das ist immer ein schönes Bauchgefühl.

Und ein gutes Bauchgefühl ist doch das, worum es beim Reisen immer gehen sollte, oder?

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Livia
Livia

Mit 5 Jahren wollte ich Archäologin werden, um verborgene Schätze zu finden. Diesen Wunsch habe ich heute immer noch, aber die Suche hat sich mittlerweile in die Welt vor meiner Haustür und die hinter meinem Bildschirm verlagert. Musik, die mein Herz zum tanzen bringt, Menschen, die mich begeistern, Bilder und Sprache, die mich verzaubern. Spannende Geschichten. Gerne auch Alltägliches, das durch einen Twist zum Besonderen wird. Manchmal braucht es einen zweiten Blick.
Mittlerweile starte ich meine Schatzsuchen vom Süden Deutschlands aus, wo ich momentan Medienwissenschaft und Anglistik studiere. Mode, Musik, Film, Literatur, leckeres Essen, Reisen, Kunst sind ein paar der Leidenschaften, denen ich immer wieder auf der Spur bin.
Ich mag gute Geschichten. Einige will ich teilen. Also bin ich nun bei Uberding.